…über Kopf – der Moment zwischen Rückzug und Reinstürzen

Der Wecker klingelt. Ich sitze sofort aufrecht im Bett. Verschlafen? Nein. Früh. Zu früh. Nicht meine Zeit. Mit angeschwollenem Gesicht, klebrigen Augen von der Nacht und dem Wissen – die Zeit läuft. Hektisch wird geduscht. Die Handgriffe sitzen. Klo, Wasser währenddessen schon mal an. Laufen. Wärme. Duschen. Anziehen. Neue Maske auspacken. Plastik einfach in die Ecke. Keine Zeit für mehr. Tasche kontrollieren und raus. Irgendwas vergessen. Ab zum Bahnhof. Strammer Schritt, aber jetzt nicht schon direkt in Hektik verfallen. Schon passiert. Wenig Menschen und trotzdem nicht so nah an sie ran. Es ist einfach drin. Der Abstand ist da. Am Bahnhof ankommen und erstmal einen großen Atemzug nehmen, bevor die Maske wieder Teil des Tages wird. Wie sitzen die Bänder wohl heute? Wann kann ich sie kurz abnehmen und durchatmen? Wie lange wird es heute dauen, bis es schmerzt? Oder wird sie heute einfach Teil von mir? Im Zug in Gedanken verloren. Gedanken an gestern, an morgen. Verloren in Podcasts, Musik oder schon früh einen anderen Reiz, damit die Nebengeräusche, damit das echte Leben, die anderen Menschen ausgeblendet werden, gar nicht wahrgenommen werden müssen. Jetzt nicht schon in Hektik verfallen. Jetzt nicht schon in Hektik verfallen? Neue Stadt, Jobmood ein. Los geht es!

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Von einem auf den anderen Tag hat es mich kalt erwischt. Vom Homeoffice, vom später Aufstehen, vom eigenen Tagesrhythmus, Joggen, Yoga, Entschleunigung… rein ins frühe Aufstehen, vorgegebene Strukturen, viele Reize und Menschenmassen. Schon auf der Treppe müde Gesichter, Geplapper, Gelächter, Erleichterung, ein „Schön-dass-wir-uns-sehen“. Von null auf hundert. Schön und gleichzeitig? Von null auf tausend. Nach einem Jahr überrollt es mich. Es gab keine Eingewöhnung, keine Eingliederung, kein „Hier-bin-ich-wieder“, sondern ein „Bin ich wieder?“ Immer noch?

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Die Menschen, die Geräusche, das Arbeitspensum, die To-Do-Listen, das Müssen, das Geplapper…. in so kurzer Zeit bremst es mich aus und lässt mich überwältigt, übermüdet und doch auch ein wenig glücklich zurück. Es kann doch nicht nur mir so gehen? Diese Ambivalenz zwischen „JA-ich will“ und “NEIN – ich kann noch nicht“. Es geht zu schnell, zu rasend. Die Geschwindigkeitsbegrenzung zu früh aufgehoben. Das zurückhaltende Gummiband an meinem Körper einfach so losgelassen. Es flitscht, trifft mich hinterrücks und lässt mich straucheln. Aber ich fange mich auf. Es braucht einen Moment, der Überraschungseffekt sitzt und ein paar Meter bewege ich mich unkontrolliert durch den Raum und spüre meine Hilflosigkeit. Entweder ich falle oder ich kann mich noch abfangen… Und nicht nur bei der Arbeit geht es mir so, ist dieses Gummiband gelöst. Auch Freunde und Familie wollen wieder Nähe, wollen Unternehmungen machen, sich treffen, leben, genießen und alles nachholen, was auf der Strecke geblieben ist. Auch ich will das. Auch ich spüre diesen Drang. Doch da ist wieder der kleine Schmerz des Gummibandes. … eine Ausrede habe ich jetzt nicht mehr. Oder gerade doch?